Mein Jakobsweg 2006

01.07.2006 Navarrete - Ciruena

58. Tag

So, also doch, wir müssen gegen Italien ran. Das kann ja was werden. In der Aufwärmphase noch 4:1 auf den Sack bekommen
und jetzt um den puren Ernst der Lage spielen. Ich bin guter Dinge denn die Jungs haben echt ne klasse Arbeit bis jetzt gezeigt.

Habe mir heute Morgen mit allem viel Zeit gelassen. Das Brot war die reinste Katastrophe der Cafe jedoch wie immer super gut.
Wie lange morgens manche Leute brauchen um iheren Rucksack zu packen ist sensationell oder schon traurig. Hatte heute mal
das Vergnügen einigen dabei zuzusehn. Verrückt!

hatte gestern Abend geschwollene Füße und Beine und wollte den Tag darum heute langsam und ruhig angehn. Und besonders
gut drauf war ich deswegen auch nicht. Naja ohne die gehts nun mal nicht. Legte zur Sicherheit noch ein MorgenEi ;-)

Begab mich erst der Straße entlang, dann der Muschel folgend bis mich eine fremde innere Stimme dazu aufforderte, mich heute
mal vom eigentlichen Weg abzusetzen. Die im Bau befindliche, nach frischem Asphalt richende B12 zog mich magisch an.
Ich konnte dem nicht wiederstehen. Und mal 2-3Std keine Pilger zu sehen war auch ein guter Grund. Ich ging ainfach auf der neuen noch
nicht freigegeben Trasse entlang. Erst frischer Asphalt dann war nur noch rote Erde unter meinen Füßen. Ich war mitten drinn im
Gewühl der Bauarbeiten, um mich herum rießige Kipper, Lkw`s und Nasssprenklerwagen damit es nicht so stiebt wenn die großen
Brummis dort fuhren. Alle winkten mir zu oder hupten wenn sie an mir vorbeifuhren. Der eine bremste und begrüßte mich und gab
mir zu verstehen, dass der Camino weit links von hier verläuft. Ich wiederum gab ihm zu verstehen, dass mir der hier viel besser gefällt.
Er lachte und meinte, dass ich kurz vor der neuen Brücke links ab müsse und dort wieder auf den Camino käme.
Als er sein RießenBrummi wieder startete und hupte und mir nochmal zuwinkte, wusste ich, dass ich wiedermal den richtigen Entschluss
getroffen hatte mit dieser Entscheidung und dieser Weg auch der richtige war. Machte alles viel Spaß heute und alles in Ruhe ohne Stress.
Am Ende zeigte er mir den Weg zum Camino und hupte nochmals kräftig. Super Typ!

Dann war ich in kurzer Zeit in Najera. Holte mir gleich als erstes eine Stempel in der Info und lud mich auf einen Cafe ein. Mann konnte
hier sehr viele Mauersegler & Störche beobachten. Und ich hatte erst einen Pilger gesehen. Trotz aller Freuden machte mir mein rechtes
Fußgelenk echte Sorgen. Werde jetzt wieder Tabletten nehmen. Gehe heute sehr gemach. Kurz vor Najera waren Texte in deutsch und
spanisch an eine große Betonmauer geschrieben. Ich gab auch meinen senf dazu!

Als ich mir die Kirche in Najera ansah, fand drinnen gerade eine Hochzeit statt. Mann war das rührend.

Jetzt waren es noch 7km bis Azfora die durch sehr ruhiges Gelände führten. Schön so. Traf unterwegs die belg. Pilgerin. Ich hatte vor in Azfora
zu bleiben wegen Fußball schauen, hier gab es aber keinen Bankomaten und ich hatte nur noch 5,-€ in der Tasche. Also musste ich weiter
und die holden Weiber zurück lassen, mit den ich gern einen Schoppen Wein getrunken hätte.
So machte ich mich auf um die 16km nach Santo Domingo de la Calzada zu gehn, in der Hoffnung dort Fußball schauen zu können und an
einem Bankomaten etwas Geld zu ziehen. Ich musste mich echt überwinden. Hatte eigentlich keinen Bock mehr heute weiter zu laufen.

Ich konnte von einer Anhöhe bis zurück nach Azofra sehen und bemerkte, dass mich dunkle Wolken verfolgten. Mit meiner inneren
Wetterprognose ist es nicht weit her. Und so wie ich mich versah, fing es an zu schütten. Ich hatte vorsorglich schon meinen Poncho
zurecht getan. Ich dachte schon ich entkomme dem Gewitter: getäuscht! Trotz das es aus Eimern zu regnen begann, leistete mein Poncho,
den ich mir mit so viel Aufwand in Genf besorgt hatte, gute Dienste.

Ich kam an einem Golfplatz vorbei und dachte, dass ich hier vielleicht schon Geld abheben kann, Nix da! Ich ließ mich in Ciruena unter einem
Vordach eines kleinen flachen Gebäudes nieder um das Regenende abzuwarten. Ich hatte mich schon mit meiner Situation abgefunden, als eine
Dame vor ihr Haus trat und als sie mich sah auf mich zu kam. Sie fragte wie es mir geht. Ja klar, nass war ich aber ansonsten in einem super Zustand.
Sie stellte sich vor - Jutta - war ihr Name und sie hatte seit 31.2. 2006 eine kleines hübsches Pilgerrefugio 50m von meinem Unterschlupf entfernt.
Ich fragte sie nach einem Geldautomaten, da musste sie lachen. Bei gerade mal 26 Einwohnern gab es das hier nicht.

Sie bot mir ein Quartier in ihrer schnuckeligen Herberge an und es war ihr auch egal das ich nur noch 5,-€ bei mir hatte. Ich solle mitkommen,
schließlich sind wir hier auf dem Camino sagte sie mit einem Lächeln. Sie nahm mir meinen Stock und den Poncho ab und wir gingen über
die Straße zu ihr. Es waren an diesem Abend noch 2 Holland-Ostfriesen bei ihr zu Gast, leider habe ich deren Namen vergessen. ;-(
Ich nahm eine Dusche und relaxte danach ein wenig bei einem Buch von Peter Ustinov "Vorurteile", dass ich in einem Bücherregal stehen sah.

Jutta kümmerte sich bereits um das gemeinsame Abendessen.

Grüner Salat mit Ei
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Salat (Mais-Apfel-Zucchini-Rote Beete-Kümmel)
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Schmorhuhn mit Schotengemüse und Reis
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Kirschkompott

dazu reichte sie einen hervorragenden Rioja. Unglaublich!
Es war ein sehr schöner harmonischer Abend, gespickt mit interessanten Gesprächsthemen und jeder Menge Spaß.

DEM REGEN SEI DANK !!!

Fußball wurde somit zur unwichtigsten Sache der Welt degradiert. Später spendierte sie mir noch ein Bierchen. Es war wieder ein sagenhaft
schöner Sonnenuntergang zu sehen.

Jutta war gebürtige Österreicherin und ist durch den Tango nach Mexico und später nach Argentinien gezogen. Sie war viele Jahre dort bis sie
der Camino in seinen Bann gezogen hatte. Sie baute hier aus einem einfachen runtergekommen Schafstall ihr kleines Pilgerrefugio.

Vielen, Vielen herzlichen Dank hier nochmal an dieser Stelle. Ich würde mir wünschen das viele Pilger den Weg zu dieser charmanten Frau finden.