Mein Jakobsweg 2006

08.06.2006 Sènergues - Conques

35. Tag

Dank der Heuballenschlafplatzzusammenrolltechnik und einer Fl. roten Landweins
habe ich einen göttlichen Schlaf gehabt. Es war eine sternenklare Nacht.
Bin morgens 6.00 Uhr ganz gemächlich losgestiefelt und war um 8.00 in Conques.

Erst einen Kaffe trinken, dann anrufen, dann in der Information ins Internet und
vorher noch nen Platz in einer Gite de Etape reserviert. Gegen 14.00 Uhr soll ich
meine Bank anrufen da soll mein Konto wieder frei sein.

!!!BITTE - BITTE !!!

Harald ist auch schon eingetrudelt. Hatte die Nacht wie von mir schon vermutet in
"Espeyrac" verbracht. Naja, hier wars ne schöne, nette, saubere Gite mit Garten.
Erstmal Wäsche waschen, duschen und ausruhen. Wieder ein super sonniger Tag heute.
Nach einem Stadtbummel und der Suche nach Fotomotiven und einigen Versuchen
dem Bankomaten Geld zu entlocken, hatte ich tatsächlich ab 14.00 Uhr wieder
Zugriff auf mein Konto.
Nur meine Kreditkarte und das Onlinebanking blieben gesperrt.
Solche scheiß Kommunisten diese Finanzamtsesselfurzer.

Trotzdem musste heute gefeiert werden, so dass ich erstmal einkaufen ging.
(Bohnen - Brot - Käse - Wein) und die Schulden bei Harald habe ich auch
gleich beglichen.

Das Städtchen Conques an sich ist märchenhaft. Eine Vorzeigestadt sozusagen. Alles sauber,
gepflegt und schön hergerichtet. Rosensträuche an jedem Haus dazu dieses Wetter, was will man mehr!
Die romanische Kirche "Eglise Sainte-Foy" (11.-12.Jh) ist schlicht und erhaben. Eigentlich fehlen mir dafür
die Worte. Sie hat einen ganz eigenen Charakter.
Das Tympanon des jüngsten Gerichts am Westportal, ursprünglich farbig, ist eines der wichtigsten Werke der
romanischen Bildhauerkunst.
Rechts ist wild und phantasiereich die Hölle dargestellt - Links stehen die Heiligen brav in Reih und Glied.

Tipp: auf ZOOM klicken

Schrob noch 3 Postarten (Bank - Uwe - Eltern) und begab mich um 18:30 zu Tisch.
Habe den Liter Wein bis auf ein Gläschen für Harald allein getrunken.
Zum Dessert gings in die Stadt. Auf einmal sehn wir Manfred & Robert von der Mosel
denen wir Tage zuvor schon begegnet sind. Sie nahmen uns gleich mit zur Abendmesse.
Ich, der alte Heide, durfte gleich vorn in einem der holzgeschnitzten Stühle platznehmen.
Was für ein seltsames Gefühl so als Nichtchrist gleich in erster Reihe zu sitzen. Von der
Predigt auf französisch verstand ich nix und das Ja und Ahmen lies ich auch sein.
Ein deutscher Pilger verlaß einige Zeilen auf deutsch. Mein Nixsagen und nicht bekreuzigen,
fiel dem einen Mönch glaube ich schon auf. Er musterte mich geradewegs.
Egal, mein Ziel ist Santiago de Compostela wie das der Anderen auch.
Jeder musste seinen Namen sagen und wo er herkommt.
Peter (Canada) Frank (Schweiz) und der Franzose Michel waren auch bei der Messe.

Anschließend setzte sich der Mönch an einen Flügel und spielte, dass ich den Tränen
nahe war. Ein Moment der Stille und Besinnlichkeit in dieser Atmosphäre. Ich setzte
mich näher zum Flügel ran an eine Säule und lauschte den Klängen. Bis dato der
bewegenste Moment auf dem Weg. Wie er uns später sagte,waren es alles improvisierte
Stücke die er spielte. Musste immer an Tori Amos denken.
Danach erklärte er den Leuten vor der Kirche das Tympanon. Dank meiner unflexiblen
französisch Kenntnisse, besorgte ich mir derweil etwas süßes zum naschen.
(Crepes mit Nutella) Ich war noch immer wie aufgelöst.

Anschließend gingen alle wieder in die Kirche um der nun folgenden Orgelmusik zu lauschen.
Für eine Spende von 5,-€ konnte man auf die zweite Empore steigen und das Kirchenschiff von
oben betrachten. Einige setzten sich neben den Mönch der nun die Tasten der Kirchen-Orgel
betätigte und dabei einen Rausch der Frohlockung in mir und vielen Anderen auslöste.
Ein unvergessliches Gefühl.
Der Anblick der Kirche von hier oben mit den sich zur Musik erhellenden Lichtern war irre.
Der Blick durch die vielen beleuchteten Säulen hindurch war beeindruckend.

In allen verblähten Situationen meines Lebens habe ich eine Camera dabei.
Jetzt im Augenblick nicht.

Die oberen Bögen waren nicht aus behauenem Stein sondern aus kleinen (hießigen)
Steinen gebaut. Seltsam, wie das hält? Als ich so meine Beobachtungen machte,
kamen mir auf einmal vertraute Klänge zu Gehör.
Nein das gibts nicht:
es war die Melodie von "House of the rising Sun" - Es steht ein Haus in New Orleans.
!!! Wahnsinn !!! Und das hier in der Kirche auf der Kirchenorgel gespielt.
Wünschte Anke wäre jetzt da, sie würde sicher das gleiche fühlen wie ich.
Dieses Lied von Manfred Krug gesungen, mag ich ganz besonders.
Und ich hätte niemals geglaubt es auf einer Kirchenorgel zu hören.
Nicht in diesem Rahmen.

Manfred & Robert waren einen Tag vorher schon zur Abendmesse und so sehr begeistert,
dass sie beschlossen, von Figiac aus nochmal hierher zu kommen um nochmals daran teilzuhaben.
Sie kannten den Mönch und luden ihn spontan auf ein Bierchen in der benachbarten Bar ein.
Harald und meine Wenigkeit mit am Tisch.
Wir unterhielten uns und hatten ne Menge Spaß. Was für ein Erlebnis.
Und wieder so unverhofft und ungeplant. Er strahlte so eine Ruhe und liebenswerte Art aus,
das mir der Gedanke kam, so wenn die Kirche wäre, gäbe es auch einen Grund ihr beizuwohnen.
Wir sind halt auf dem Jakobsweg! Robert hatte uns mit eingeladen, klasse :-)

Was für ein Tag!

PS: Es sollte für mich der bewegenste Moment auf dem Jakobsweg bleiben.